Sonntag, 13. September 2015

SONNTAGSPOST | Let's be honest.

honesty


Wie ehrlich darf man sein?

Ich war immer ein Mensch, der seine Meinung lautstark, geradeheraus und ungeschönt mit anderen geteilt hat. Ich mache das bis heute, ich sage, was ich denke. Ich sage, was ich mag, und genauso bleibe ich nicht still, wenn mir etwas gegen den Strich geht.

Und das hat mir schon immer Probleme bereitet.

In der Oberstufe hat mir eine Schulkollegin mal gesagt, ich wäre zu ehrlich. Zu ehrlich? Ehrlichkeit ist eine meiner besten Eigenschaften, ich verstand nicht, wie man bitte zu ehrlich sein könnte. Also habe ich nachgefragt – ihr müsst wissen, ich bin nicht unbedingt sensibel.

Ich würde mich im Ton vergreifen.

Ehrlichkeit wird oft als aufmüpfig, provozierend, rebellisch und frech aufgefasst – das ist mir dadurch klar geworden. Mit der Zeit habe ich gelernt, mich ein wenig (!) besser auszudrücken. Erst denken, dann sprechen, wie unsere lieben Eltern das früher gerne genannt haben. Und plötzlich fühlt sich die Wahrheit wie eine Lüge an, ehrlich sein mit angezogener Handbremse.

Ist das ehrlich?

Ich bin ein netter höflicher Mensch, ich weiß, wann ich besser den Mund halte, ich weiß, wie ich was sagen kann. Ich bin so erzogen worden. Aber wenn ich schon mal etwas zu sagen habe, wieso darf ich das dann nicht so, wie ich es denke? Wieso immer auf die höfliche sanfte Art? Immer bemüht, niemanden zu verletzten. Ich habe das Gefühl, dass das, was ich sage, nicht richtig ankommt. Trotz aller Ehrlichkeit.

Darf man heute noch ehrlich sein?

Ich erfinde keine Ausreden, wenn ich keine Lust habe, mit Freunden etwas zu unternehmen. Ich sage, dass ich keine Lust darauf habe, weil ich schon die Jogginghose anhabe (jeder von euch kennt das.!!) Ich mache keine Komplimente, die ich nicht so meine, ich sage auch geradeheraus, wenn ich etwas ganz furchtbar finde – wieso auch nicht? Weil es unhöflich ist? Ist es nicht viel unhöflicher, eine Freundin in einer Hose rumlaufen zu lassen, in der ihr Arsch wie ein Brett aussieht?

Ehrlichkeit verwundert meine Mitmenschen.

Egal, ob ich etwas Positives oder etwas Negatives sage, Ehrlichkeit stößt auf Verwunderung. Warum ist Ehrlichkeit so ungewöhnlich? Ist es, weil wir uns ständig alle etwas vorlügen? Wenn wir auf Facebook mit all unseren „Freunden“ unsere „perfekte“ Beziehung teilen? Wenn wir auf Instagram ein überbelichtetes, durchgestyltes #healthybreakfast posten? Wenn wir hundert Fotos machen, um ein schönes Selfie hochzuladen?

Steht der Drang nach Perfektion echter Ehrlichkeit im Weg?




written by Casey Nonsense.
photography by Eden Sparks.




How honest are you allowed to be?

I’ve always been that kind of person saying my opinion loud and clearly, straight out of my head, without any euphemisms. I do so today, I say what I think. I say, what I like and I don’t stay quite if I don’t like something.

And that has always been causing me problems.

At Senior’s a classmate told me, I’m too honest. Too honest? Honesty is one of my best attributes, so I didn’t understand, how one can be too honest. So I asked – you have to know about me, that I’m not really what one would call a sensitive person.

I would adopt the wrong tone.

Honesty is often understood as defiant, provoking, rebellious and cheeky – that became clear to me. While time went by I’ve learned to enunciate a little (!) bit better. Put mind in gear before opening mouth, how our beloved parents told us in former days. And suddenly saying the truth feels like a lie, being honest with firmly applied handbrake.

Is that honest?

I am a nice and polite person, I know when to keep my mouth shut, I know how to say what. I was raised this way. But when I’ve something to say, why shouldn’t I say it the way I think it? Why has it always to be the polite and gently way? Always anxious to hurt nobody. I sense that people don’t catch on my words. Despite all honesty.

Is one allowed to be honest these days?

I don’t conjure up excuses, when I don’t want to go out with friends. I just tell them. I tell them, that I’ve already put on my sweat pants (don’t judge me, you all know this situation.!) I don’t make compliments, which I don’t really mean, I tell the truth straight out – also if it’s not a compliment. But why not? Because it’s impolite? Isn’t it more impolite not to tell a friend that her ass looks as flat as a pancake in this pants?

Honesty surprises my fellows.

It doesn’t matter whether it’s positive or negative what I say, honesty surprises. Why is honesty this unusual? Is it because we all lie to each other? When we share our “perfect” relationship with all our “friends” on Facebook? If we post an overexposed, styled through #healthybreakfast on Instagram? When we hundreds of pictures to upload a pretty selfie?

Does the urge of perfection stand in the way of real honesty?




written by Casey Nonsense.
photography by Eden Sparks.

1 Kommentar:

  1. Ich finde es schon wichtig, dass man besonders seinen Freunden und vor allem Menschen, die auch Ehrlichkeit von einem erwarten, ehrlich gegenüber ist. Allerdings finde ich es wichtig, wie man es 'verpackt'. Denn es gibt Menschen, da kann Ehrlichkeit und auch Kritik schnell einmal respektlos und verletzend wirken.

    Ich war lange Zeit der Typ Mensch, der eher immer Ausreden gesucht hat um Situation zu umgehen. Aber mittlerweile bin ich da so wie du .. wenn ich keine Lust habe mich mit wem zu treffen, dann hab ich eben keine Lust. Wieso unnötig Ausreden finden? Meine Freunde akzeptieren das dann auch. Im Allgemeinen finde ich das Ehrlichkeit immer noch am Besten in allem ist. Und auch wenn man manchmal aneckt, am Ende ist man doch eher dankbar über eine ehrlich Meinung, als sich immer gegenseitig Süßholz zu zuraspeln und sich eine rosa Welt vorspielt.

    Liebe Grüße, Viola
    violak.com

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