Sonntag, 25. Januar 2015

SONNTAGSPOST | Somewhere in Between // Irgendwo dazwischen.

Es ist der Dritte. Der Dritte von irgendeinem Monat. Zum wiederholten Mal checkt sie ihren Kontostand. Langsam verzweifelt sie, das Geld sollte schon seit Tagen da sein. Seit dem Ersten schaut sie zwanzig Mal am Tag in ihre Bank-App. Nichts. Nur die Versicherung wurde abgebucht. Kontostand unverändert.
Der Vierte. Es ist Morgen, sie ist gerade erst fähig, die Augen beim grellen Kunstlicht offen zu halten. Ein Blick aufs Konto. Nichts Neues. Morgen muss die Miete bezahlt sein, denkt sie. Das geht sich nie aus, die Vermieter sind bei einer anderen Bank. Abends vor dem Fernseher, ein letzter Blick für heute. Endlich. Auch wenn es trotzdem nicht pünktlich ankommen wird.

Samstag, sechs Uhr morgens. Sie wirft die Arme hoch in die Luft, tanzt um ihre Freundin, lacht ausgelassen und zeigt auf den Horizont. „Siehst du das? Die Sonne geht schon auf!“ Ihre Freundin starrt sie an. Und einen Moment später lächelt sie über ihr Mädchen. „Ich liebe diesen kurzen Moment, in dem das zarte Blau und der hellgelbe Rand des Sonnenaufgangs sich treffen und einen schmalen Streifen Grün schaffen.“
„Ich weiß“, sagt sie lachend, den Kopf über so viel Energie nach einer Nacht in einer verrauchten Bar und kaum einer Minute, die ohne zu tanzen verbracht hatte. „Das erzählst du mir immer um diese Uhrzeit.“
Und sie plappert weiter, irgendetwas, sie ist zu laut, und zu aufgekratzt, sie weiß, dass die Leute sie anstarren, sich wundern, sich vielleicht sogar fremdschämen – aber so sind die Leute in den Morgenstunden. Sie glauben bestimmt, sie sei betrunken, sie fühlt sich auch als wäre sie betrunken. Aber sie ist nüchtern. Sie ist immer nüchtern.
Plötzlich rennt sie los, sie spürt die eisige Luft in ihrer Lunge, wie ihr der Atem wegbleibt. Nach ein paar Metern bleibt sie stehen und lacht. Und obwohl sie kaum atmen kann und die ganze Nacht getanzt hat, dreht sie sich wieder im Kreis, die Arme hoch in der Luft; das Morgengrau schmeckt nach Freiheit. Und das Leben ist so schön. Es ist perfekt.

Montag Morgen, das Wochenende scheint so fern. Es ist dunkel, außerhalb der Decke eiskalt und eine neue Woche beginnt. Es fühlt sich nicht nach einem guten Start an, sie wünschte, es wäre schon Freitag, sie müsste nicht zur Arbeit, sie könnte das echte Leben leben. Aber sie steht auf. Weil sie muss. Sie fühlt sich verloren zwischen all den Pflichten, den Aufgaben, egal ob die freiwilligen oder die, um die man nun mal nicht herumkommt. Eigentlich will sie sich die Decke wieder über den Kopf ziehen und bis Mittag schlafen. Sechs Uhr morgens.

Keine Nacht durchtanzt, kein Lachen, kein Plappern und keine eisige Luft nach einem spontanen Lauf in den Horizont. Müdigkeit. Anstrengende Arbeit. Die Miete. Aber der grüne Streifen. Nicht nur für den Kontostand. Auch für sich selbst und die Menschen in ihrem Leben.


Und irgendwo dazwischen, irgendwo zwischen Existenzängsten und durchtanzten Nächten, da ist sie, widersprüchlich, zu erwachsen und zu kindisch, zu ernst und zu übermütig, zu wenig Pumps im Schrank und zu viele Boots. Aber egal ob erwachsen oder kindisch, ernst oder übermütig, in Pumps oder in Dr Martens – immer sie selbst. Tag für Tag. Nacht für Nacht.





#Sonntagspost #thinkingonsunday
It’s the third. The third of any month. Yet again she’s checking her account balance. Slowly she despairs, the money should have been on her account for yonks. Since the first she has been checking her mobile banking app about twenty times a day. Nothing. Just the fee for her insurance was written off. Account balance steady.
The fourth. It’s morning, she is only capable to keep her eyes open in the loud artificial illumination. A view on the account. Nothing new. Tomorrow rent has to be paid, she’s thinking. That will never work; the landlords are at a different bank. In the evening in front of the TV, one last view. Finally. Even if it won’t be there on time.

Saturday, six o’clock in the morning. She’s throwing her arms up in the air, dances around her girlfriend, she’s laughing hilariously and points at the horizon. “Can you see it? The sun is already rising!” Her girlfriend stares at her. And one moment later she smiles about her girl. “I just love this short moment in which the soft blue and the yellow edge of the sunrise meet each other and create a tiny stripe of green up in the sky.
“I know”, she says laughing, with a shake of her head in disbelief of so much energy after a night in a smoky bar and hardly one minute without dancing. “You’re always telling me this at this time.”
And she sputters on, some nonsense, she is too loud, and too cheerful, she knows, the people stare at her, wonder, maybe they are embarrassed for her – but so people are in the first hours of the day. Certainly they think she’s drunk, she feels drunk. But she’s sober. She’s always sober.
Suddenly she runs off, she’s feeling the icy air in her lungs, how her breath caught. After a few meters she stops and laughs. And although she can’t breathe and she was dancing the whole night long, she turning around herself again and again, her arms high up in the sky, the dawn tastes of freedom. And life is so beautiful. It is perfect.

Monday morning, the weekend seems to be far away. It’s dark, the bedroom outside the blanket is freezing and a new week begins. It doesn’t feel like a good start, she wishes it would be already Friday, she hadn’t go to work, she could live the real life. But she stands up. Because she have to. She feels lost between all her duties, her tasks, it doesn’t matter if they’re chosen voluntary or not. Actually she wants to hide under the blanket and sleep the whole day long. Six o’clock in the morning.

No nights danced away, no laughing, no sputtering and no icy air after a spontaneous run to the horizon. Tiredness. Exhausting work. The rent. But the green stripe. Not only for the account balance. Also for herself and the people in her life.


And somewhere in between, somewhere between existential fear and danced away nights, there she is, contradictory, too grown up and too childish, too serious and too hilarious, too less pumps in the closet and too many boots. But it doesn’t matter if grown up or childish, serious or hilarious, in pumps or in Dr Martens – always herself. Day for day. Night for night. 


2 Kommentare:

  1. Das hast Du wundervoll geschrieben. Ich weiß gar nicht was davon mich am meisten anspricht, einfach stimmig und schön verfasst!

    Liebst,
    the Curious Girl

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